Der Report zeigt, dass Kanzleien vor immensen Herausforderungen stehen. Auf der einen Seite wünscht sich die junge Generation juristischer Fachkräfte ein weniger formelles und flexibleres Arbeitsumfeld. Auf der anderen Seite kämpfen die Kanzleien mit zunehmendem Wettbewerbsdruck, sich ändernden Anforderungen seitens der Mandanten sowie steigenden Ausgaben. Als Kostentreiber hat der Legal Tech Report folgende Schlüsselfaktoren identifiziert:
Betriebskosten: Die Inflation erhöht die Betriebsausgaben, einschließlich Strom, Büromaterial etc. und sie treibt die Gehälter nach oben.
Investitionen in digitale Prozesse: Neue Technologien können die Produktivität steigern, aber sie verursachen zunächst einmal Kosten, bevor sie sich rechnen.
Compliance-Bemühungen: Die Regulierungen durch die EU nehmen zu – sowohl im Umfang als auch in der Komplexität. Das macht das Erfüllen von Compliance-Vorgaben zunehmend teurer.
Mitarbeitergewinnung und -bindung: Zusätzlich zur Lohninflation erfordert das Finden und langfristige Binden talentierter Mitarbeiter die Erhöhung von Gehältern und Boni.
Inflation und steigende Kosten
Kleine und mittelgroße Kanzleien waren am meisten besorgt über die Inflation und die steigenden Kosten (57 Prozent bzw. 63 Prozent). Große und sehr große Kanzleien waren dagegen weniger besorgt (47 Prozent und 35 Prozent der Befragten). Das könnte daran liegen, dass größere Kanzleien sich leichter tun, Premiumtarife aufzurufen, um höhere Kosten auszugleichen. Außerdem sind sie schneller in der Lage Kosten zu reduzieren, beispielsweise indem sie Boni oder andere Vergünstigungen kürzen.
International gesehen waren italienische Anwaltskanzleien am ehesten geneigt, die Inflation und steigenden Kosten als kritische Herausforderung zu bewerten (71 Prozent). Kanzleien in Frankreich, Spanien und Benelux waren da mit 37 Prozent entspannter. Dieses Ergebnis kann teilweise dadurch erklärt werden, dass die Inflation in Italien im Jahr 2023 höher war. Aber es ist auch möglich, dass andere strukturelle Faktoren eine Rolle spielen.
Abrechenbare Stunden sterben aus
Traditionell basiert das Geschäftsmodell von Kanzleien darauf, die Anzahl der abrechenbaren Stunden zu maximieren. Dieser Ansatz bringt jedoch mehrere Herausforderungen mit sich. Immer mehr Mandanten erhoffen sich eine größere Vorhersehbarkeit der Anwaltskosten – etwa durch Festpreise oder eine Deckelung der Gebühren. Einige Mandanten sind es leid, für jede E-Mail, jeden Brief und jeden Anruf zu bezahlen; sie üben Druck auf die Kanzleien aus, Pauschaltarife anzubieten. Langfristig wird das die Einnahmen der Kanzleien zwar nicht reduzieren, aber kurzfristig gehen die Umsätze zurück, und zwar so lange bis es neue Abrechnungsstrukturen gibt, die das Modell der abrechenbaren Stunden ersetzen.
Mandanten wünschen sich, dass Kanzleien ihre Dienstleistungen vorhersehbarer gestalten. Das könnte beispielsweise ein transparenterer Umgang mit den Gewinnchancen eines Rechtsstreits sein oder die frühzeitige Information über neue Vorschriften, die für den Mandanten potenzielle rechtliche Risiken und Haftungsregeln mit sich bringen.
Zunehmender Wettbewerb & teurer Leerstand
Einige Unternehmen beschäftigen heute schon sogenannte Alternative Legal Service Providers (ALSPs), um spezielle Zusatzservices kostengünstiger zu erbringen. Andere holen sich stattdessen ihren eigenen Rechtsbeistand ins Haus. Diese Trends drohen das Business-Modell der Kanzleien endgültig zu sprengen. Knapp die Hälfte aller Umfrageteilnehmer (46 Prozent) nannte den Rückgang abrechenbarer Stunden als kritische Herausforderung. Dabei variierte die Relevanz der Herausforderung mit der Kanzleigröße: 60 Prozent der kleinen Anwaltskanzleien waren über den Rückgang der abrechenbaren Stunden besonders besorgt, im Gegensatz zu 32 Prozent der Großkanzleien.
Viele juristische Fachkräfte möchten gerne auch „jederzeit und überall“ arbeiten können, so wie es in anderen Branchen bereits üblich ist. Die Folge sind massenhaft ungenutzte Büroflächen. Doch auch wenn moderne Arbeitsplatzmodelle junge Talente anziehen, machen sich vor allem kleine Kanzleien Sorgen über zu teure leerstehende Büros (64 Prozent). Das könnte daran liegen, dass die Büromiete bei kleinen Anwaltskanzleien einen Großteil der Betriebskosten ausmacht. International gesehen sind deutsche Kanzleien besorgter über nicht ausgelastete Büroflächen: In Deutschland finden 42 Prozent der Befragten eine Leerstand problematisch, wogegen es in allen anderen Ländern 20-30 Prozent sind.
Alle Details können im kostenlosen Legal Tech Report nachgelesen werden: Legal Tech Report 2024 (stp.one)
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